8. November 2025: Mind the Gap – Ein Plädoyer für Zwischenräume

Versuchen Sie mal weniger auf Gegenstände und Menschen zu schauen, sondern mehr auf den Raum dazwischen. Also nicht auf den Baum mit seinen Ästen blicken, sondern zwischen die Stämme und Zweige und Blätter. Fokussieren Sie mal nicht auf einzelne Menschen, sondern auf die Räume dazwischen.

Diese Übung aus dem Buch „Mit Yoga leben.“ von Patrick Broom hat mich inspiriert. Und dann kamen plötzlich mehr und mehr Gedanken und Informationen zum Thema Zwischenräume.

Aus dem Gedicht von Khalil Gibran „Von der Ehe“ stammen die Zeilen:
„Aber lasst Raum zwischen euch. Und lass die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.“

Viktor Frankl wird oft zitiert, wenn’s um die letzten Freiheit jedes Menschen und ein friedliches Miteinander geht: „Zwischen dem Reiz und der darauf folgenden Reaktion liegt ein Zwischenraum, ein Entscheidungs-Spielraum – und in diesem Raum (Zwischenraum) bestimmen wir unsere Reaktion und wer wir sind.“

Ein Beraterkollege zelebrierte bewusst den Raum zwischen »nicht mehr« und »noch nicht« und sagte oft „Wehret den Übergängen“ in Anlehnung an Ovids „Wehret den Anfängen!“

Und schließlich stieß ich sogar auf eine Organisation in München mit dem Namen „ZwischenRaum | Ort für individuelle und institutionelle Entwicklung“, die Coaching und Therapie anbieten und ein Zwischenraum-Manifest veröffentlicht haben.

Unsere Welt braucht Zwischenräume und wir Menschen können diese Oasen der Freiheit, Entspannung und Freude schaffen. Kennen Sie diesen „heiligen Moment“ (so nenne ich das), wenn ein Musikstück verklingt bevor der Applaus einsetzt? Ich liebe ihn – und oft ist er mir zu kurz! Wenn wir eine Aufgabe erledigt haben und danach mal kurz innehalten und durchatmen, wie würden wir anders an das Nächste rangehen?! Wenn Terminkalender Pufferpausen beinhalten täten – die nicht mit Social Media-Aktivitäten gefüllt werden -, wie würden Gespräche anders verlaufen?

Wenn jetzt die sogenannte „Stille Zeit“ kommt, lade ich zu einer neuen Perspektive und kleinen Experimenten ein:

• Beobachten Sie öfter, was sich zwischen all dem, was Ihnen begegnet abspielt.
• Feiern Sie jedes stille Davor, wo das Neue oft leise beginnt und die Richtung noch offen ist.
• Lauschen Sie ihrem Atem und finden Sie die Übergänge, wo das Einatmen endet und wo das Ausatmen beginnt und umgekehrt, wo das Ausatmen endet und das Einatmen beginnt.

All das könnte Ihnen Entspannung und inneren Frieden bringen, weil die Reize auf Ihr Nervensystem reduziert werden und eine Balance zwischen Innen- und Außenwahrnehmung geübt wird. Wichtiger denn je, wenn alles um uns und in uns so dicht wird.

Quellen:

• Patrick Broom: Mit Yoga leben. Von der Yogamatte ins Leben
• https://www.zwischenraum.org/philosophie/manifest/
• Khalil Gibran: Der Prophet

— Posted on 8. November 2025 at 11:01 by Margit Weingast