31. Oktober 2020: Yoga in Krisenzeiten – Was uns stark macht!

„Mitten im Winter  hab‘ ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“ Albert Camus

Krisen gehören zum Leben. Alles in der Natur unterliegt Veränderungen, die nicht immer sanft ablaufen und uns Menschen existenziell bedrohen können. Krise als Chance wollen wir vielleicht nicht hören, aber etymologisch steckt’s drinnen. Krise bedeutet vom Wortstamm her „entscheidender Punkt, Höhepunkt und Wendpunkt einer gefahrvollen Entwicklung“. Yoga hilft Menschen seit Jahrtausenden in diesen Phasen, wo Fragen auftauchen wie „Wie schaffe ich das?“ oder „Wer will und kann ich sein?“

Ingwer, Kurkuma, Echinacea und Propolis sowie Sauna und Kaltwasseranwendungen sind bekannt, unser Immunsystem zu stärken. Die psychische Widerstandskraft für die Stürme des Lebens bedarf laut Resilienz-Forschung ein paar andere Zutaten. Folgende Qualitäten werden in vielen wissenschaftlichen Studien genannt, wenn es um die Fähigkeit geht, aus Krisen gestärkt hervor zu gehen:

  1. Akzeptanz oder „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist.“
  2. Vertrauen und eine realistisch optimistische Perspektive
  3. Selbstwirksamkeit, d.h. sich kennen und für sich sorgen
  4. Lösungs- und Zukunftsorientierung statt in Problemtrance zu erstarren
  5. Netzwerke und Humor

Das sind keine gottgegebenen Gaben, sondern wie Muskeln gut trainierbar – unter anderem mit Yoga. Die Yoga-Philosophie hält geistige und spirituelle Hilfen bereit, die Asana-Praxis lässt uns körperlich und geistig in unsere Mitte zurückkehren, wenn Turbulenzen im Alltag uns rütteln und schütteln.

Ein erster Schritt am Weg zur Krisenfestigkeit ist eine Inventur der individuellen Resilienz-Quellen. Reflektiere zum Beispiel folgende Fragen:

Mach Dir Notizen und sammle immer wieder mal neue Antworten. Das kann zu einer persönlichen „Notfall-Medizin“ werden und Dein Vertrauen stärken.

Ein zweiter Schritt nach der Bestandsaufnahme ist die regelmäßige Praxis nach dem Motto „Übung macht den Meister“.

Diese Körperübungen sind gut für zwischendurch, wenn alles schwer und aussichtslos zu scheinen droht:

  1. Vorbeugen für mehr Akzeptanz:
    Beuge im Stehen leicht deine Knie an und lass den Oberkörper nach vorne sinken, die Hände Richtung Boden. (Padahastasana) Spüre die Entlastung in deiner Wirbelsäule vom unteren Rücken bis zum Nacken. Dein Kopf darf schwer werden und tiefer als dein Herz sinken. Lass los und leere in der Vorstellung deinen Kopf aus, sodass Vorstellungen, Ängste, Verwirrung etc. gehen können.
  2. Rückbeugen für mehr Vertrauen:
    Lass im Kniestand für das Kamel (Ustrasana) deine hüftbreiten Oberschenkel energetisch zueinander steuern trotz fixierter Knie. Deine Hände stützen mit den Fingern nach unten zeigend am unteren Rücken, die Ellbögen und Schulterblätter ziehen hinter dir zueinander, dein Blick bleibt nach vorne gerichtet. Deine ganze Vorderseite mit Herz- und Bauchraum weitet sich durch tiefes Ein- und Ausatmen. Das Gefühl von Superman oder Superwoman darf sich in dir ausbreiten.
  3. Stehhaltungen für mehr Selbstwirksamkeit:
    Steh und spüre deine Füße fest am Boden. Atme tief aus und ein und nimm dich wahr körperlich, aber auch deinen geistigen und emotionalen Zustand. Alles darf sein.
    Mit einem nächsten Einatmen strecke deine Arme nach oben– wie FußballspielerInnen, wenn sie ein Tor geschossen haben! Amy Cuddy hat Körpersprache und deren Wirkung nach innen untersucht. Unser Hormoncocktail aus Stress- und Dominanzhormonen und damit unsere Stimmung verändern sich sehr rasch, wenn wir in diese Powerpose kommen. Die Stellung von HeldIn/KriegerIn (Virabadrasana) oder Baum (Vrksasana) haben ähnliche Wirkung. Immer wieder mal dich aufrichten und Arme zum Himmel strecken, hilft über das Gehirn die Emotionen aufzuhellen!
  4. Twist für Lösungs- und Zukunftsorientierung:
    Im Sitz mit ausgebreiteten Beinen stell deinen rechten Fuß mit dem Außenknöchel an deine linke Wade und drück leicht dagegen. Richte dich auf und drehe mit lang über den Kopf gestreckten Armen nach rechts. Lass am äußersten Punkt die rechte Hand hinter dein Gesäß sinken, den linken Ellbogen leg um das rechte Knie oder vor den rechten Oberschenkel, je nach Tiefe der Drehung. (Ardha Matsyendrasana) Der Blick wandert mit nach hinten, sodass auch die Augen einen Perspektivenwechsel erleben. Die Zukunft liegt zwar nicht hinter uns, aber Lösungen finden wir nur durch Perspektivenwechsel. Geübte können auch immer wieder mal Kopf- und Handstand praktizieren. Das hebt das Energieniveau und ermöglicht neue Sichtweisen.
  5. Lachyoga und Yoga in der Gemeinschaft für gute Netzwerke und Pflege von Humor:
    Lachen ist gesund und fördert Wohlempfinden und unser Immunsystem, sagen inzwischen auch Lachforscher. Entzündungshemmende und schmerzstillende Substanzen werden beim Lachen freigesetzt und Stresshormone abgebaut. Lachen in Gemeinschaft ist das ultimative Krisenmittel – schon immer gab es Galgenhumor.
    Lache aber auch mal nur mit dir, z.B. im Auto oder morgens beim Blick in den Spiegel.
  6. Schlussentspannung und Meditation:
    Wie Bewegung ist Entspannung ein wichtiges Gegenmittel, wenn Krisensymptome wie Spannung, Enge, Nervosität im Körper und Geist sich ausbreiten wollen. Totenstellung (Savasana) in der Rückenlage oder Meditation im aufrechten Sitzen und die volle Konzentration auf den Atem lassen uns tief in uns hineinsinken und das vegetative Nervensystem bekommt Raum für Regeneration und Heilung.

Der dritte und vielleicht auch erste Schritt ist die mentale Vorsorgeroutine, oder auch Prophylaxe mit Gedanken-Medizin. Unser Geist ist ein unruhiger und scannt die Umwelt permanent nach Gefahren, um uns zu schützen. Je mehr Katastrophenmeldungen wir in unser System einspielen, desto stärker fordern uns die resultierenden Stressreaktionen im Körper – vom Gehirn über die Atmung, den Hormonhaushalt, die Verdauung, und vieles mehr leidet. Rückzug aus dem Medienspektakel und Stopp an das Gedankenkarussell bewähren sich. Eine achtsame Yoga-Praxis statt permanentem Online-sein ist in Krisen sehr empfohlen, dann gelingt  „citta-vrtti-nirodhah“ – das zur Ruhe bringen des Geistes, wie es in den Yoga-Sutren von Patanjali im 2. Sutra heißt. Dort finden sich übrigens noch viele andere hilfreiche Impulse für Krisen. Dazu ein ander Mal.

Quellen und Literatur:

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